§78

Auschwitz-Prozess Neubrandenburg

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"Scherben eines verstörenden Auschwitz-Verfahrens zusammengekehrt" - Nebenklage zur Einstellung des Verfahrens

13.09.2017

Die Anwälte der Nebenklage als Vertreter von Auschwitz-Überlebenden kritisieren in einer Presseerklärung vom 12. September 2017 anlässlich der Einstellung des Verfahrens, dass der Prozess seit Jahren verschleppt wurde.

Gerichtsbeschluss beendet das Zafke-Verfahren

Zweieinhalb Jahre, nachdem im Februar 2015 vor der 60. Strafkammer am Landgericht Neubrandenburg Anklage erhoben wurde, ist das Verfahren durch Beschluss der 64. Strafkammer vom 11. September 2017 wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten Zafke eingestellt worden.

Im Beschluss wird festgestellt: Eine Hauptverhandlung fand nur an wenigen Tagen statt, in der lediglich die Anklage verlesen und keine Beweisaufnahme zur Tat- und Schuldfrage durchgeführt wurde. Stattdessen befasste sich das Schwurgericht mit der Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Zutreffend wird zugleich bestätigt, dass in der jüngeren Vergangenheit vergleichbare Auschwitz-Verfahren von anderen Gerichten in überschaubarem Zeitraum mit mehrtägigen Beweisaufnahmen durchgeführt wurden, um zu einer Entscheidung über strafrechtliche Schuld zu gelangen.

Der Beschluss vermeidet die Erklärung, dass die 64. Strafkammer als "Hilfsstrafkammer" geschaffen werden musste, weil das Schwurgericht unter Leitung von Richter Kabisch nach zwei Jahren Verfahrensdauer als befangen aus dem Verfahren genommen werden musste. Allein die Befangenheitsanträge haben dafür gesorgt, dass eine neue Richterbesetzung im Verfahren Zafke unvoreingenommen entscheiden konnte. Wenn das Gericht unter Vorsitz von Richter Kabisch die eigene Befangenheit bereits Anfang 2016 beim ersten Versuch, die Nebenkläger aus dem Verfahren zu eliminieren, selbst eingeräumt hätte, wäre vor unbefangenen Richtern bis Ende 2016 eine "mehrtägige Beweisaufnahme" durchführbar gewesen. Der Beschluss nennt die "vergleichbaren Verfahren" gegen Gröning in Lüneburg und Hanning in Detmold. Vor dem Ausscheiden der befangenen Richter des Schwurgerichts im Juni 2017 stand mehr als ein Jahr zur Verfügung, in welchem ein unbefangenes Gericht eine Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme an zehn oder zwölf Tagen mit zweistündiger Verhandlungsdauer gegen den noch verhandlungsfähigen Zafke hätte vorbereiten und durchführen können.

Die 60. Schwurgerichtskammer unter Richter Kabisch wollte jedoch diese Hauptverhandlung mit allen Mitteln verhindern. Die 64. Strafkammer konnte nach zwei Jahren lediglich noch die Scherben eines verstörenden Auschwitz-Verfahrens zusammenkehren. So stellt die Kammer zutreffend klar, dass die jetzige Verhandlungsunfähigkeit auf Grund der Demenz im März 2016 noch nicht vorlag. Allerdings konnte sich erst ab Juni 2017 ein unbefangenes Gericht des Verfahrens annehmen. Jedermann weiß, dass im Alter von 96 eine Demenzerkrankung fortschreitet und sich das vor zwei Jahren bestehende Zeitfenster für dieses Strafverfahren erwartungsgemäß schließen werde.

Die Nebenkläger, Überlebende von Auschwitz, deren Mutter dort ermordet wurde, hatten sich von diesem Strafverfahren wie die Nebenkläger im Verfahren gegen Hanning oder Gröning späte Gerechtigkeit erhofft.

Das Wort "Justiz" steht für Gerechtigkeit. Das Strafverfahren gegen Zafke war aber ein vom Schwurgericht unter Richter Kabisch inszenierter Geschehensablauf, der Gerechtigkeit verweigerte. Die Demenz von Zafke führt nun zum Verfahrensende. Nach den Regeln des Rechts ist die Verfahrenseinstellung nach über zwei Jahren die einzig mögliche Konsequenz einer voreingenommenen Verhandlungsführung.

Zurück bleiben Nebenkläger mit frischen Wunden, zugefügt durch die deutsche Justiz, die genauso wenig heilen werden wie die Wunden, die SS-Männer wie Zafke ihnen vor über sieben Jahrzehnten zugefügt haben.

Rechtsanwalt Thomas Walther
Professor Dr. Cornelius Nestler