§78

Auschwitz-Prozess Neubrandenburg

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Nebenklage äußert sich zur Einstellung des Verfahrens

01.09.2017

Gegen Hubert Zafke hätte rechtzeitig ein Verfahren geführt werden können, kritisieren die Anwälte der Nebenklage in einer aktuellen Pressemitteilung die jüngste Einstellung des Prozesses. Das Landgericht Neubrandenburg hätte jedoch die Hauptverhandlung verhindern wollen.

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Thomas Walther und Cornelius Nestler vom 31.08.2017 – Verfahrenseinstellung gegen Zafke wegen nun eingetretener Verhandlungsunfähigkeit

Zweieinhalb Jahre, nachdem im Februar 2015 vor dem Landgericht Neubrandenburg Anklage erhoben wurde, muss das Verfahren wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten Zafke eingestellt werden.

Der Ablauf des Parallelverfahrens gegen Reinhold Hanning, gegen den die Staatsanwaltschaft ebenfalls im Februar 2015 Anklage wegen Beihilfe zum Massenmord in Auschwitz erhoben hatte und der im Juni 2016 vom Landgericht Detmold zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, zeigt: Auch gegen den Angeklagten Zafke hätte vor Eintritt der Verhandlungsunfähigkeit eine Hauptverhandlung durchgeführt werden und ein Urteil ergehen können.

Aber das Landgericht Neubrandenburg wollte diese Hauptverhandlung mit allen Mitteln verhindern und konnte erst durch das Oberlandesgericht Rostock dazu gezwungen werden, die Hauptverhandlung zu beginnen. Ab Februar 2016 hätte dann – zeitlich parallel zur Hauptverhandlung gegen Hanning vor dem LG Detmold – eine Beweisaufnahme mit dem Ziel, über Tatbeteiligung und Schuld von Zafke zu befinden, durchgeführt werden können und müssen. Aber das Schwurgericht in Neubrandenburg hat sich im Februar 2016 geweigert zur Sache zu verhandeln, sondern erneut die Verhandlungsfähigkeit mit dem anvisierten Ziel einer sich verstärkenden Demenz problematisiert, obwohl die Ergebnisse der Sachverständigen eindeutig waren: Damals war der Angeklagte Zafke verhandlungsfähig.

Jetzt, eineinhalb Jahre nach dem ersten Verhandlungstag, sitzt die Justiz in Neubrandenburg vor einem Scherbenhaufen: Gegen die Richter der damals zuständigen Schwurgerichtskammer wird wegen Rechtsbeugung und Beleidigung eines Nebenklägervertreters strafrechtlich ermittelt. Alle drei Richter sind wegen Besorgnis der Befangenheit gegenüber Nebenklägern und Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren entfernt worden. Seither sind alle drei gemeinsam seit über einmal halben Jahr dienstunfähig krankgeschrieben. Der 97jährige Angeklagte ist zwar nunmehr tatsächlich aus Altersgründen nicht mehr verhandlungsfähig, erfreut sich im übrigen aber weiterhin recht guter Gesundheit.

Schlimmer: Die Nebenkläger, Überlebende von Auschwitz, deren Mutter dort ermordet wurde, hatten sich von diesem Strafverfahren wie die Nebenkläger im Verfahren gegen Hanning späte Gerechtigkeit erhofft. Stattdessen musste ihnen von ihrem Anwalt über zwei Jahre hin immer wieder von einem deutschen Gericht berichtet werden, das diese Gerechtigkeit nicht gewähren und nicht einmal das persönliche Gespräch mit dem Anwalt bewilligen wollte: Der 87jährige Nebenkläger, Überlebender von Auschwitz, könne doch seinem Anwalt über Skype schildern, was er in Auschwitz erlitten hatte. Eine deutsche Justizposse hat nun als Tragödie ein Ende gefunden. Zurück bleiben Nebenkläger mit neuen Wunden aus Neubrandenburg, die genauso wenig heilen werden wie die Wunden, die ihnen als verfolgte Juden im Holocaust vor über sieben Jahrzehnten zugefügt wurden.

Rechtsanwalt Thomas Walther (Kempten)
Professor Dr. Cornelius Nestler (Königstein)